Es geht ans Eingemachte

Mein Mann hat mich gestern mit den Worten (sinngemäß) “Was für ein Blödsinn” auf einen Artikel in der Zeit hingewiesen. Es geht darin um die berühmt-berüchtigte und überaus ominöse Generation Y, der ich auch gerade noch so angehöre, also um Leute, die bereits mit dem Internet aufgewachsen sind. Die Presse ergeht sich immer wieder gerne in vereinheitlichenden Persönlichkeitsbeschreibungen einer ganzen Alterskohorte. Leider kann man sich nur nicht so ganz einigen, ob es sich nun eher um angepasste, erfolgsorientierte Lebenslaufoptimierer oder um natursehnsüchtige, karriereverweigernde Neobiedermeier handelt.

 

Der Artikel von Nina Pauer ordnet die Ypsies in letztere Kategorie ein. Wir kochen Marmelade ein, stricken, nähen und radeln ökologisch korrekt durch die beschauliche Landkulisse, um uns vom urbanen Stress zu erholen. Klar, Verallgemeinerungen und Zuspitzung sind zulässige Stilmittel um eine Sache zu verdeutlichen. Trotzdem hat mich der Artikel nicht wenig genervt. Zu einen haben Leute zwischen 20 und 35 meines Erachtens recht wenig mit den 30jährigen Pärchen aus Rainald Grebes Lied zutun. Wer heißt in der Generation schon Uschi oder Dirk, also bitte! Und selbst wenn, was beweist das denn? Ja, wir machen manchmal Pärchenabende und haben eventuell andere kulinarische Vorlieben als unsere Eltern. Dito unsere Eltern als sie jung waren. Ja, wir schauen gerne gemütlich auf dem Sofa Serien. Wir tauschen uns über die Handlung aus und fiebern neuen Folgen entgegen. Die gesellschaftspolitische Relevanz dieses Umstands ist jetzt welche genau? Wurden früher nicht auch ritualisiert die Tagesschau oder der Tatort angeschaut? Samstagabendshows mit der ganzen Familie? Oder in der Schule über spannende Serien gesprochen? Ich erinnere mich noch gut an die hübsch drapierten Knabbereien für den Familienfernsehabend. Soviel zur Ritualisierung.

 

Dass Smalltalk auf Parties selten das ganz hohe philosophische Niveau erreicht, ist aber wirklich ganz dolle typisch für unsere Generation. Ächt jetzt. Früher sagte man bestimmt zu jedem Fremden: “Hallo, ich bin die Kerstin. Und wie stehst du so zum Nato-Doppelbeschluss?”. Ist klar. Hübsche Pseudoanalogien (Babies und Babyspinat, Einkochen als Reduktion des Lebens) ersetzen dann gleich vollends jeglichen Versuch eines Arguments. Klingt gut und ist auch nicht ganz falsch. Man gewinnt den Eindruck, die Generation Y besteht aus lauter Paaren, die ihren Biosupermarkteinkauf in ihre minimalistisch, aber äußerst stylisch, eingerichteten Wohnungen im Szeneviertel schleppen. Vielleicht glaubt man echt, dass eine ganze Generation so tickt, wenn man in Berlin lebt oder deutlich zu viel Zeit im Internet verbringt. Warum allerdings selbstgebackenes Dinkelbrot mit beruflichem Ehrgeiz unvereinbar sein soll, wird nicht so wirklich klar. Ich habe es mit allerlei DIY-Hobbies, einem Studium nebenbei zu einer Führungsposition in einem mittelständischen Unternehmen und einer kleinen Familie gebracht. Ausnahmslos jeder Mensch, der mir beruflich begegnet ist, hatte außer der Arbeit noch andere Interessen. Jeder Mensch hat einen “Lifestyle”. Pauer erweckt den Eindruck, als ergäbe sich aus den privaten Interessen notwendigerweise berufliches Desinteresse. Da kann ich dann echt nur auf den Kommentar von meinem Mann (s.oben) verweisen. Nur mal nebenbei sei angebracht, dass “Chef werden” ohnehin etwas ist, was nur ganz wenigen Leuten überhaupt offensteht. Das Mengenverhältnis von Häuptlingen zu Indianern lässt gar nichts anderes zu.

 

Als würde das alles nicht reichen, wird dann auch noch der Mangel an “Transzendenzstreben” und der gemeinsamen “Mission” in Paarbeziehungen beklagt. What? Für welche Generation war das denn jetzt bitte typisch. Die gemeinsame Mission von Paaren, zumal solchen mit Nachwuchs, besteht gemeinhin im Meistern des Alltags und ich würde mal behaupten, dass das für so ziemlich jede Generation und jeden Flecken auf der Erde gilt. Das ist natürlich furchbar banal und daraus lässt sich für einen Journalisten vielleicht auch wenig machen. Meine schlaue Mama seufzt angesichts solcher Artikel immer resigniert: “Was sollen sie auch immer schreiben.” Recht hat sie.

 

P.S.: Ich koche heute noch Birnenkaramellmarmelade ein und widme mich dann meinem BWL-Skript zu Forbildungszwecken. Wahrscheinlich habe ich einfach eine gespaltene Persönlichkeit 😉